Die vermeintlich langweilige Inversionswetterlage zeigt bei genauerer Betrachtung einige höchst interessante lokale und regionale Wetterphänomene. Doch zuerst zu den "Fakten" des heutigen Tages: Beidseits der Alpen lag Hochnebel. Im Norden waren vor allem das Mittelland und einige Voralpentäler betroffen, am Morgen lagen auch in der Nordwestschweiz einige Hochnebelfelder. Die Obergrenze war auf etwa 1100 Metern. Auch auf der gesamten Alpensüdseite lag eine kompakte Schicht mit hochnebelartiger Bewölkung, die Obergrenze war hier jedoch erst auf etwa 2400 Metern zu finden. Am Vormittag wurde auch das gesamte Engadin von der Feuchte erfasst, selbst der Flüelapass war am Morgen kurzzeitig im Nebel:
Nun aber zu den Besonderheiten: Im Süden liegt unterhalb der erwähnten Inversion auf 2400 Meter eine markant kältere Luftmasse als im Norden. Auf 1500 Meter wurden in der Radiosondierung am Mittag in Payerne/VD (repräsentativ für das Mittelland) +16 Grad gemessen, in Mailand (repräsentativ für die Alpensüdseite) waren es lediglich +4 Grad. Da kalte Luft schwerer ist als warme, war hier der Luftdruck am Boden etwa 5 bis 8 Hektopascal (=hPa) höher als auf der Nordseite, zwischen Lugano und Sion betrug die Differenz kurzzeitig sogar 9 hPa. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass die Kaltluft - ähnlich wie bei einem Stauwehr - böig über die tieferen Alpenübergänge am Hauptkamm nach Norden floss. In Hinterrhein am Fusse des San Bernardino wurden immerhin Böenspitzen von fast 60 km/h gemessen. Das erwähnte Überströmen wurde von einigen Webcams schön dokumentiert:
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Blick von der Tanatzhöhi/GR, 2136m nach Osten. Am rechten Bildrand liegt der von der
Kaltluft überströmte Splügenpass (2115 m). Quelle: Kameranetz MeteoSchweiz |
So strömte beispielsweise am Splügen (s. Bild oben) eine "Wolkenwurst" von Süden her dynamisch über den Pass, während des Absinkens nördlich davon löste sie sich allmählich auf. Oberhalb der Inversionsschicht lag beidseits der Alpen praktisch dieselbe Luftmasse und die Druckverhältnisse waren ausgeglichen. Auf 3000 Metern wurden teils sogar schwache nördliche Winde registriert.
Ein zweites interessantes Phänomen ist die Quellwolkenbildung über den Alpen: Über der Inversion war de Schichtung der Atmosphäre sommerlich labil geschichtet, sodass sich besonders in den westlichen Alpen grössere Quellwolken bildeten. Im südlichen Wallis reichte es sogar - ähnlich wie bereits gestern - für einzelne schwache Regenschauer. Im Oberengadin hingegen zeigte sich das seltene Bild einer Hochnebelschicht mit hochbasigen Quellwolken darüber:
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Radarbild von 16 Uhr Lokalzeit. Aufgrund der
Abschattungseffekte der Berge wurden wahr-
scheinlich nicht alle Schauerzellen erfasst.
Quelle: MeteoSchweiz |
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Hochnebel und Quellwolken: Blick von der Bergstation der Corvatschbahn/GR, 3300m zum Malojapass
und ins Engadin. Rechts der Station befindet sich das Val Roseg mit dem Piz Bernina (4049 m).
Quelle: Kameranetz MeteoSchweiz |
Die Gleitschirmflieger hatten eine wahre Freude mit der für die Jahreszeit ausgesprochen guten Thermik. Ein Pilot konnte von Fiesch im Wallis einen Teil der Walliser und Berner Hochalpen überqueren und bis nach Interlaken fliegen. Dies ist zu dieser Jahreszeit und noch dazu bei einer Hochnebellage wohl nur äusserst selten möglich. Den Track des Fluges gibt's hier.
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