Kommentare, Analysen und kurze Beschreibungen zu interessanten Wetterlagen oder Wetterphänomenen in der Schweiz

Dienstag, 27. Juli 2010

Land unter in Bregenz und Umgebung

Heute mal ein Blick ins benachbarte Vorarlberg, meine "ursprüngliche" Heimat:

Unglaublich wie es heute Nacht und am Morgen am östlichen Bodenseeufer geschüttet hat. In Bregenz waren es innerhalb von 12 Stunden etwa 130 mm, davon fielen etwa 70 mm in nur gerade 2 Stunden (s. zweitoberstes Bild)! Das extreme Niederschlagsereignis war zwar relativ kleinräumig, es hat aber grössere Schäden verursacht.

So wie es ausschaut sorgte wieder einmal der sogenannte „Lake effect“ zumindest für eine Verstärkung des Niederschlags, und dies schon zum zweiten Mal innert weniger Tage. Kurz erklärt funktioniert das folgendermassen: Eher kühle und instabil geschichtete Luft strömt über die relativ warme Seeoberfläche. Dabei „saugt“ sich die Luft mit Wasserdampf voll und über dem See bilden sich Schauer- und Gewitterzellen. Diese wurden am Pfänderhang angehoben, was zu einer zusätzlichen Verstärkung des Niederschlags geführt hat.

Windrichtung und -stärke in verschiedenen Höhen
anhand des Windprofilers in Schaffhausen (Quelle: MeteoSchweiz)
Heute war die Windrichtung optimal (siehe Bild oben). Mit dem NW bis WNW-Wind in den unteren Schichten hat die herangeführte Luft den Bodensee praktisch vollständig der Länge nach überquert, bevor sie sich am anderen Ufer ausregnete. Die Windgeschwindigkeiten auf 2000 Metern lagen konstant bei etwa 35 km/h.
Das Resultat dieser anhaltenden Feuchtezufuhr als Summenkurve des Niederschlags der Wetterstation Bregenz Altreuteweg:
Niederschlagsumme und -intensität der Wetterstation
Bregenz-Altreuteweg. Quelle: Land Vorarlberg/Wasserwirtschaft
Der zeitliche und räumliche Ablauf des Niederschlagsereignisses kann am Besten anhand von Radarbildern verfolgt werden. Obwohl das Radar von MeteoSchweiz auf dem Albis fast 100 km Luftlinie entfernt vom Ort des Geschehens steht, wurde der Niederschlag recht gut erfasst:
12-stündige Niederschlagssumme (27. Juli 2010; ca. 0h bis 12h)
anhand der Radardaten. Aufgrund der grossen Entfernung zum
Radarstandort sind die Summen etwas zu tief (Quelle: MeteoSchweiz).

Radarfilm in 5min Schritten vom 27. Juli 2010,
ca. 5h bis 11h vormittags. Die schwarzen Symbole
sind Blitzortungen (Quelle: MeteoSchweiz)
Im Sommer kommen solche Ereignisse immer wieder vor - meistens natürlich nicht gerade in dieser Ausprägung. Am 6. August 2006 ging in Alberschwende ein ähnlich intensiver Gewitterregen nieder. Damals fielen in wenigen Stunden 140 mm Regen, dies während einer sehr ähnlichen Wetterlage wie heute.

Hier noch ein paar Links mit Berichten, Schadensmeldungen, Fotos und Filmmaterial:
Vorarlberg online
ORF Landesstudio Vorarlberg

Samstag, 24. Juli 2010

Abendliche Konvektion über dem Zürichsee


An der Bildung dieser Wolkenwurst heute Abend kurz vor 20 Uhr waren vermutlich zwei Effekte beteiligt: Eine Windkonvergenz, sowie eine relativ instabile Schichtung der bodennahen Luft mit tiefer Lufttemperatur und gleichzeitig hoher Wassertemperatur. Am rechten Bildrand wird die Wolke vom überregionalen SW-Wind zusätzlich "angeschliffen".

Bei einer Wassertemperatur von 23°C, einer Lufttemperatur von etwa 15°C sowie einer vertikalen Temperaturgradienten von 0.8 bis 0.9°C/100m in Bodennähe braucht es nur eine ganz schwache Konvergenz, um die Konvektion in Gang zu bringen.

Nach einiger Zeit ist aus Nordwesten ein Regenschauer durchgezogen, und der Wind hat deutlich aufgefrischt. Dabei wurde die Konvergenz und somit auch Konvektion gestört - die Wolke ist rasch verschwunden.

Bei Schönwetter ist die beobachtete abendliche Konvektion über Tal- und Beckenlagen übrigens als sogenannte "Umkehrthermik" bekannt: Hangabwinde aus den umliegenden Flanken sorgen dabei für die Konvergenz und schliesslich das Ablösen und Aufsteigen der wärmeren Luft vom Talboden. Dabei bilden sich aber nur in seltenen Fällen Quellwolken, weil die Luft viel trockener ist.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Monstergewitter und Ende der Julihitze

Heute haben sich die Gewitter für einmal an die klassischen Zugbahnen gehalten. Genaugenommen war es eigentlich nur eine einzige langlebige Superzelle, nur kurzzeitig hat sie sich geteilt. Alle anderen Gewitterzellen in der Schweiz waren heute relativ harmlos.

Entstanden ist das Teil kurz vor 14 Uhr im Bereich Gantrisch-Stockhorn/BE, die weitere Zugbahn ging den Voralpen entlang via Emmental - Grossraum Luzern - Oberer Zürichsee und das Toggenburg zum Bodensee:

Zugbahn der Superzelle. Die Zelle ist je nach Intensität grün, gelb oder rot eingefärbt.
Für die Warnungen sind bei ziehenden Zellen nur Gelbe und Rote relevant.
Der Zahlenwert weist auf das vertikal integrierte Wasser in der Zelle hin.
Die 4 nicht ausgefüllten Ellipsen zeigen die vermutliche, zukünftige Verlagerung für
jeweils 15 Minuten.

Die Zelle hat also die Voralpen in genau 4 Stunden überquert, die mittlere Verlagerungsgeschwindigkeit lag zwischen 30 und 50 km/h. Das maximale Echo (rote Fläche im unteren Radarbild hatte zeitweise eine Grösse von 100 km2 und erreichte teils eine Höhe von 12 km. Wie meist, hat sich die Zelle auf ihrem Weg mehrmals abgeschwächt und wieder verstärkt. Maximale Intensitäten erreichte die Zelle im Emmental, in der Zentralschweiz, am oberen Zürichsee sowie im Toggenburg:
Die Zelle zieht um 17h MESZ (=15 UTC) von der Linthebene
über den Ricken ins Toggenburg. Vollständiger Radarfilm.

10 Minuten zuvor hat die Zelle während des Durchzugs in Schmerikon/SG am Obersee einen Druckanstieg von fast 5 hPa in 10 Minuten verursacht - ein extremer Wert. Dadurch wurde eine Windböe von 133 km/h ausgelöst. Genau eine Stunde zuvor wurden in Luzern 104 km/h gemessen. Die eine oder andere Station wurde auch vom Niederschlag (Hagel, extremer Starkregen) mehr oder weniger voll getroffen. In Ebnat-Kappel fielen beispielsweise innert 10 Minuten 26mm Niederschlag.
Mit dem Gewitter und der nachfolgenden Kaltfront wurde der heisse Juli beendet. Mit ziemlicher Sicherheit gibt es an den restlichen Julitagen im Raum Zürich keinen Hitzetag mehr. Wie die „Hochrechnung“ im unteren Bild zeigt, dürfte der Juli 2010 zu den 3 oder 4 wärmsten seit Messbeginn zählen (nach 2006, 1986 und evtl. 1994):
Heute konnte man einigen Medien bereits entnehmen, der Sommer sei vorbei. Diese Aussage lässt sich meteorologisch nicht wirklich begründen - der August ist nämlich alleweil für hohe Temperaturen gut (zumindest vom 1. bis zum 15. des Monats). Im Sommer 2003 war der 13. August der heisseste Tag auf der Alpennordseite. Im vergangenen Sommer wurden die höchsten Temperaturen gar erst um den 20. August herum gemessen - aussergewöhnlich spät wie im Bericht von MeteoSchweiz nachzulesen ist.
Quelle aller Bilder und Daten: MeteoSchweiz

Montag, 19. Juli 2010

Gewitter mit spezieller Zugbahn am 17. Juli

Seit dem letzten Blogeintrag hat sich bezüglich des Wetterablaufs eigentlich nichts verändert. Gestern und heute waren wir mit Bise und trockener Luft im angenehmen Teil dieses sich wiederholenden Wetterablaufs (mehr dazu siehe auch hier). Die nächsten Gewitter sind aber nicht mehr weit, spätestens ab übermorgen ist es wieder soweit.

Kurz möchte ich noch ein paar Grafiken zu den Gewittern vom vergangenen Samstag (17.7.2010) zeigen - leider komme ich erst jetzt dazu, die Spätschichten an der Meteo waren am Freitag und am Wochenende zu intensiv…

Interessant waren vor allem die ungewöhnlichen Zugbahnen von den zwei langlebigen Gewitterzellen. Diese gingen quer (oder eigentlich längs) durch die Alpen, und nicht wie gewohnt den Voralpen entlang:

Zugbahnen der zwei langlebigsten Zellen. Die Zellen werden
in 3 Stufen kategorisiert (grün, gelb, rot), der Zahlenwert
gibt den vertikal integrierten Wassergehalt der Zelle an.
Quelle: MeteoSchweiz (Thunderstorm Tracking System)

Vermutlicher Grund dafür: Tags zuvor hatte es weiter nördlich bereits teils kräftige Gewitter, und in den unteren Schichten ist aus Nordwesten bereits etwas weniger warme Luft eingeflossen (Stabilisierung). Inneralpin hingegen, lag noch die energiereichere Luft. Zudem war eine gewisse Windscherung vorhanden: Am Boden Talwinde (im Vorderrheintal aus ENE), darüber bereits schwacher Nordwestwind und weiter oben mässiger Südwestwind. Das Vorhandensein einer Windscherung ist bei genügender Labilitität und Feuchte in der Regel eine sehr gute Voraussetzung für die Bildung von langlebigen Gewitterzellen.

Hier noch der Radarloop vom Samstagnachmittag, am rechten und oberen Rand ist jeweils die Vertikalstruktur der Gewitterzellen erkennbar. Die Skala reicht vom Boden bis in 12 km Höhe und ist in ein 2 km Raster unterteilt (Bildquelle: MeteoSchweiz):


in etwas besserer Qualität: hier

Übrigens gab es nicht nur in der Schweiz heftige Gewitter, auch in Österreich ging’s ganz ordentlich zur Sache. So wurde beispielsweise die Altstadt von Innsbruck geflutet. Hier noch zwei Links zu den entsprechenden Wetterblogs:

Gewitterwahnsinn am 17.7.2010
Heftiges Gewitter in Innsbruck

Mittwoch, 14. Juli 2010

Hitze, Hitze, Gewitter, Hitze…

So in etwa kann man den Wetterablauf in den vergangenen Tagen beschreiben. Und es scheint noch einige Tage in diesem Stil weiterzugehen. So hilft also weiterhin nur die Flucht in die Berge und das Hoffen auf die abendlichen Gewitter. Obwohl, das mit den Gewittern ist ein zweischneidiges Schwert, wie wir in den vergangenen Tagen gesehen haben. Auch heute Abend und in der Nacht könnte es diesbezüglich noch einmal ziemlich ungemütlich werden.

Eigentliches Thema von heute ist aber die Hitze: Da werden in den Medien schon ziemlich munter Vergleiche mit dem Hitzesommer 2003 gezogen. Von so einem absolut aussergewöhnlichen Ereignis sind wir aber im Moment noch ziemlich weit entfernt, wie folgender Vergleich der Mitteltemperaturen der Station Zürich-Fluntern zeigt:

Verlauf der Tagesmitteltemperatur der Jahre 2003, 2006 und 2010
an der Station Zürich-Fluntern rot=positive Abweichung
zum langjährigen Mittel, blau=negative Abweichung.
Die Diagramme gibt's bei MeteoSchweiz für 29 verschiedene Stationen

Im Sommer 2003 hatten wir eine völlig andere Vorgeschichte, da war bereits der Juni extrem und 7.3°C wärmer als normal. Zudem waren die ersten 6 Monate des Jahres extrem trocken. Der Juli war dann „nur“ noch 2.2°C zu warm, im August hat dann die Hitze mit einer positiven Abweichung von 6.0°C noch einmal voll zugeschlagen.

Im 2006 waren der Juni (+2.5°) und vor allem der Juli (+4.9°C) massiv zu warm, während der August eindeutig zu kalt ausfiel (-2.0°C).

Im laufenden Jahr war der Juni in Zürich „nur“ 1.7°C zu warm, dafür ist der Juli im Moment auf Rekordkurs. Allerdings ist auch erst die Hälfte des Monats vorbei. In Zürich liegt die Abweichung zum langjährigen Mittel im Moment bei +5.3°C. Damit liegen wir im Bereich des Rekord-Julis des Jahres 1983, damals wurde über den ganzen Monat eine positive Abweichung von 5.4°C gemessen. An zweiter Stelle der Juli Rekorde liegt das oben erwähnte Jahr 2006.

Hier noch die Links zu ein paar Veröffentlichungen von MeteoSchweiz zum Thema Hitze in den Jahren 2003 und 2006:

Extrem trockenes erstes Halbjahr 2003
Extreme Temperaturen im Juni 2003
11. August 2003: Auf der Alpensüdseite 41.5°C gemessen
Die extreme Sommerhitze im aussergewöhnlichen Witterungsjahr 2003
Die Maximaltemperaturen im Hitzesommer 2003 und Vergleich zu früheren Extremtemperaturen

Julihitze 2006
Juli 2006: Klimatologisch ein extremer Monat


Samstag, 3. Juli 2010

Heisser Julianfang

Die ersten drei Tage des Juli waren eindeutig hochsommerlich, allerdings auch nicht rekordverdächtig heiss. Im Messnetz von MeteoSchweiz wurden nur in Visp die 33 Grad-Marke erreicht. An folgenden Stationen wurden 32 Grad oder mehr gemessen:

Eigentlich mag ich die Hitze überhaupt nicht leiden, aber zum Glück können wir ja in die Berge fliehen. Wenn man nicht gerade einen steilen Aufstieg mittags durch einen Südhang wählt, dann sind die Temperaturen in den Höhenlagen über 1500 Meter ganz gut auszuhalten. Allerdings war in den vergangenen Tagen und besonders heute ein wachsames Auge auf die Quellwolkenentwicklung nötig.
In den westlichen Regionen entwickelten sich bereits kurz nach Mittag die ersten Gewitter, im Laufe des Nachmittags haben sie sich rasch ausgebreitet. Manchmal braucht es auch ein wenig Glück, um trocken ins Tal zu kommen. Diese Glück hatten wir heute – erst beim nach Hause laufen vom Bahnhof hat uns eine Gewitterzelle erwischt. Dafür konnte ich auf der Bahnhofsüberführung in Thalwil noch obiges Panorama mit den Wolkentürmen fotografieren…

Um das Quellwolkenwachstum auch richtig zu interpretieren, gibt’s hier zum Thema Tagesgangwetter eine kleine Hilfe mit Beispielbildern. Das Problem ist nur, in vielen Fällen verdecken noch andere Wolken am Himmel die Sicht auf die entstehenden Gewitterwolken…