Kommentare, Analysen und kurze Beschreibungen zu interessanten Wetterlagen oder Wetterphänomenen in der Schweiz

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Die Föhnsaison hat begonnen

Wurde auch Zeit, denn schliesslich bewegen wir uns schnurstracks in Richtung herbstliches Föhnmaximum. Der November ist über’s Jahr gesehen immerhin der Monat mit am zweitmeisten Föhnstunden:

Anzahl der mittleren Föhnstunden pro Monat im Rheintal. Quelle:
Arbeitsgruppe Föhnforschung Rheintal-Bodensee (www.agf.ch)
Nicht nur den Wanderer freut’s, auch das Meteorologenherz schlägt höher wenn der Föhn bläst. Vor allem dann, wenn man zuerst die Prognose macht und dann den Föhn in freier Wildbahn geniessen kann. Grob gesagt hat der Föhn zwei Tage gedauert (24. und 25. Oktober). Am 24. hat es sich um einen klassischen seichten Föhn gehandelt, welcher mehr oder weniger nur unterhalb von etwa 3000 Metern spürbar war. Am Jungfraujoch hatte es anfangs sogar noch Nordwind:

Windverlauf in Altdorf und auf dem Jungfraujoch. Blau markiert ist
die windschwache Phase auf dem Jungfraujoch
Die Details zum seichten Föhn gibt’s in diesem Artikel, den ich vor ein paar Jahren für die Gleitschirmpiloten verfasst habe. Markant war auch in diesem Fall Folgendes:
  • die Sicht war nicht extrem gut (kein Niederschlag im Süden der die Luft säubert), sondern eher wie bei einer normalen Hochdrucklage
  • in einer ersten Phase war es praktisch wolkenlos

Abgesehen vom extrem böigen Wind („gehen gehemmt“ nach der Beaufort Skala) gab es also visuell kaum Anzeichen für Föhn:
Blick vom Palfries oberhalb vom Sarganserland über den
Tschugga nach Süden. 
Am Folgetag (25.10.) war der Föhn dann voll entwickelt (hochreichend), allerdings hatte es auch recht viel Gewölk am Himmel. Im Rheintal auf Höhe Sennwald (CH) – Feldkirch (A) gab’s am Nachmittag eine eindrückliche Föhngrenze zu bewundern. Auf kurzer Distanz änderte sich die Temperatur um etwa 10 Grad. Die von Norden heranrückende, bodennahe Kaltluft war am Dunst sehr schön zu erkennen. Im teils trockenen Flussbett des Rheins hat der kalte Nordwind sogar Staub aufgewirbelt:

Wenige Kilometer talaufwärts blieb der böige Südwind erhalten, dies bei bester Sicht und angenehmer Wärme:
Blick vom Grabserberg nordostwärts ins Rheintal. Der Hügel etwas rechts der Talmitte ist der Schellenberg.
Auf der orografisch rechten Talseite ist die bodennahe Kaltluft über das Liechtenstein schon weiter südwärts
vorgestossen als auf der linken Seite

Dienstag, 11. Oktober 2011

Sommertag im Tessin und Misox

11. Oktober 2011: Blick von Motto della Croce, 1255 m nach Bellinzona
nach Norden gehts in die Leventina/Blenio, nach Osten ins Misox
Schon spannend, was das Schweizer Wetter im Umkreis von wenigen Kilometern so bietet. Vorgestern und gestern extreme Schnee- und Regenmengen auf der Alpennordseite, heute ein wunderbarer Sommertag im Tessin. Mir wars eigentlich fast schon zu warm, zumindest beim Aufwärtslaufen...

Schwacher Nordwind sorgte für sehr klare Luft und damit gute Einstrahlung. Allerdings hat der Nordwind nicht voll vom Gotthard runtergemischt, sonst wären durchaus noch höhere Temperaturen dringelegen. Und der in Radio und Fernsehen verkündete wärmste Oktobertag seit 22 Jahren (1989) im Tessin ist auch leicht übertrieben. Grosszügig betrachtet war es allenfalls in Magadino und auf der Cimetta ähnlich warm wie vor 22 Jahren. Der bisher wärmste Oktobertag ist und bleibt mehr oder weniger im gesamten Tessin (und Misox) der 1. oder 3. Oktober 1997, aber das lässt sich halt schlecht verkaufen:

Links: Höchsttemperaturen vom 11. Oktober 2011 im Tessin und Misox, rechts zum
Vergleich die höchsten bisher gemessenen Oktoberwerte mit Datum. Quelle: MeteoSchweiz

Montag, 10. Oktober 2011

Der Schnee von gestern…

…wurde heute buchstäblich ins Unterland oder in die Alpenrandseen gespült, zumindest ein Teil davon. Schuld daran war massive Zufuhr von feuchter und recht warmer Luft. Mit der Warmluftzufuhr wurden auch neue Niederschläge ausgelöst, gleichzeitig ist die Schneefallgrenze auf etwa 3000 Meter gestiegen:

Verlauf der berechneten Schneefallgrenze an einigen Bergstationen.
Mit dem einsetzenden Niederschlag erfolgte ein rascher Anstieg auf
2500, später sogar auf 3000 Meter.
Mit dem nach wie vor vorhandenen Nordwestwind hat sich der Niederschlag am Alpennordhang intensiviert. Innert einer Zeitspanne von etwa 18 Stunden sind 40 bis 70, lokal sogar über 100 mm Regen gefallen:

Radarsumme über 24h (farbig) und Messwerte von einigen Bodenstationen. Der Hauptniederschlag ist etwa innert 18h gefallen. Gegen Westen hin ist die Radarsumme des Niederschlags wahrscheinlich zu tief, da die Daten vom Radar La Dole fehlen. Quelle: GIN-Informationsplattform,die Daten der Station Glattalp habe ich händisch eingefügt.

Regen und Schneeschmelze haben für einen extrem schnellen Anstieg der Pegel gesorgt, dies besonders im Berner Oberland und in der Zentralschweiz. Hochwasser mit einer Jährlichkeit von 10 bis 30, an der Kander sogar 100 Jahren - und teils grössere Schäden an der Infrastruktur - waren die Folge.

Dass ein solch kombiniertes Ereignis auftreten kann ist eigentlich bekannt. Dass es aber im Oktober auftritt, ist äusserst ungewöhnlich. Normalerweise sind im Frühjahr oder allenfalls im Winter (Stichwort Weihnachtstauwetter) Hochwasser durch Regen und Schneeschmelze möglich. Aber auch hier relativ selten, weil drei Faktoren zusammenstimmen müssen:
  • hohe Nullgradgrenze
  • ergiebiger Niederschlag (in Form von Regen bis in grosse Höhen) 
  • viel Schnee in den Bergen

Das bekannteste Hochwasser dieser Sorte war jenes vom 19.-22. Mai 1999 (Pfingsthochwasser). Hier gab es eine folgenschwere Kombination:
  • überdurchschnittlich Schneemengen in den Bergen 
  • Starkregenereignis Mitte Monat (nasse Vorgeschichte) 
  • 5b - Lage am 19.-22. Mai 1999 mit 90-160 mm Niederschlag 
  • Nullgradgrenze über 2000 m
Beim BAFU ist darüber eine ausführliche Fallanalyse zu finden.

Doch zurück zum aktuellen Ereignis. Heute Nachmittag habe ich an der Sihl bei Langnau am Albis noch ein paar Fotos gemacht. Das Einzugsgebiet der Sihl lag zwar am Rande des Geschehens, die Dynamik der abfliessenden Wassermassen war trotzdem recht eindrücklich. Immerhin hat es mit einem maximalen Abfluss von 158 m3/s fast für ein 5-jährliches Hochwasser gereicht:
Abfluss (blau) und Pegel (schwarz) der Sihl beim Sihlhölzli.
Quelle: GIN-Informationsplattform

Sihl bei Langnau am Albis, 10. Oktober 2011, ca. 15 Uhr


Weitere Berichte und Daten:
MeteoSchweiz
SF-Meteo


Sonntag, 9. Oktober 2011

Eine Ladung Schnee

Das war er also, der zweite gröbere Wintereinbruch vom meteorologischen Herbst. Die Kaltluft verursachte einen ziemlichen Knick in der Temperaturkurve. In Davos hat es gestern sogar für einen Eistag gereicht - ein seltenes Phänomen in den ersten zehn Oktobertagen (letztmals im 2003 und 1974):
Temperaturverlauf (Stundenmittel) seit Anfang Oktober
in Davos, 1595 m und Glarus, 517 m
Das markantere Ereignis waren aber sicher der Niederschlag. Ziemlich extrem wie es da im Nordstau runtergehauen hat. Gestern lag die Niederschlagsintensität über längere bei 2 bis 5 mm/h. Mit dem stürmischen Nord- bis Nordwestwind wurde der Niederschlag auch recht weit in die Alpen hinein verfrachtet. 

Der Schwerpunkt lag aber klassischerweise zwischen vom östlichen Berner Oberland über die Zentralschweiz und das Glarnerland bis nach Nordbünden. Wobei das Glarnerland seinem Ruf als Schneeloch wieder einmal alle Ehre gemacht hat. Oberhalb von etwa 1700 m haben die automatischen Stationen vom SLF im hinteren Glarnerland teils 100 cm Schnee gemessen. Auch auf der Glattalp (nur wenig weiter westlich) gab es an der Station vom Elektrizitätswerk ein guten Meter Schnee. 

Schneehöhen an den bemannten Stationen
des SLF und von MeteoSchweiz
Während der intensivsten Phase ist die Schneefallgrenze im Muotathal, im Glarnerland und im Churer Rheintal auf etwa 600 Meter gesunken - die Niederschlagsabkühlung lässt grüssen.

An den bemannten Stationen, die sich in der Regel in etwas tieferen Gefilden befinden, wurden heute Morgen Schneehöhen bis 60 cm gemessen. Recht eindrücklich, wenn im Oktober auf 1300 Meter 60 cm Schnee liegen. Ich habs mir heute in Braunwald angeschaut - der Beobachter hat sicher nicht übertrieben:



Braunwald, 9. Oktober 2011
Gleitschneeriss
Der Boden ist noch recht warm, so schmilzt der
Schnee von unten her (ohne Salzeinsatz...)

Montag, 3. Oktober 2011

Sepideh ade…

Bodenanalyse von Montag, 3. Oktober 2011, 00 UTC.
Noch ist Sepideh ziemlich gross und kräftig...

Die stabile Hochdruckphase neigt sich langsam dem Ende zu. Das Hoch Sepideh ist erstmals am 26. September auf der Wetterkarte erschienen, und hat fast nahtlos Hoch Queenie abgelöst. Seit dem 20. September herrscht in der Schweiz mehr oder weniger ununterbrochen Hochdruckwetter:
29. September 2011: Blick vom Eseltritt unterhalb der Ibergeregg
in den Talkessel von Schwyz.
29. September 2011: Blick auf die Glattalp. Mehr zu diesem "berühmten" Kälteloch dann im
im Winter bei der entsprechenden Wetterlage.
Am kommenden Donnerstag (6. Oktober) wird diese Phase enden. Und zwar ohne dass Sepideh „stirbt“, sie zieht sich einfach auf den Atlantik zurück. Damit wird die Bahn frei für die Kaltluft, welche im Nordwesten lauert.
Die markante Kaltfront wird uns in der Nacht auf Freitag (7. Oktober) oder am Freitagmorgen erfassen. Lange waren der zeitliche Ablauf und die Intensität der Front recht unklar. Im Moment sind sich die verschiedenen Modellrechnungen ziemlich einig - trotzdem kann sich bis am Freitag das eine oder andere Detail noch ändern. Hier mal die Ensemble-Prognose für Zürich vom europäischen Modell:
Ensemble Prognose mit 52 verschiedenen Modellrechnungen.
oben: Temperatur auf etwa 1500m, unten zeitlicher Verlauf des
Niederschlags (mm/12h). Quelle: ecmwf.int
Im Moment kann man die Entwicklung etwa folgendermassen zusammenfassen:
  • Abkühlung um 10 bis 12 Grad in allen Höhen 
  • Schneefallgrenze am Freitag rasch unter 1500m, am Samstag etwa gegen 1000m sinkend 
  • Niederschlagsmengen im Nordstau bis am Sonntag etwa 30-60mm, der Niederschlag fällt in zwei Schüben (v.a. Freitag und Samstag) 
  • im Nordstau dürfte das am einen oder anderen Ort einen halben Meter Neuschnee geben, die Frage ist nur ab welcher Höhe? 
  • scharfer Nordwestwind der den Schnee verfrachtet 
  • danach unsichere Entwicklung, die Mehrheit der Berechnungen bleiben kalt, aber mit eher wenig Niederschlag (evtl. Bisenlage, anfangs tiefdruckbestimmt --> „Bise noir“)