Kommentare, Analysen und kurze Beschreibungen zu interessanten Wetterlagen oder Wetterphänomenen in der Schweiz

Samstag, 29. Januar 2011

Seichter Föhn und spezielle Fallstreifen

Auf dem einen oder anderen Gipfel oder Passübergang am Alpenhauptkamm oder etwas nördlich davon ging heute recht böiger Südwind. Schuld daran war der seichte Föhn (wird manchmal auch flacher Föhn genannt). Dieser tritt dann auf, wenn auf der Alpensüdseite unterhalb von etwa 3000 bis 3500 Metern deutlich kältere (und meist auch feuchtere) Luft liegt als im Norden. Die Kaltluft macht sich in den alpenkammnahen Regionen als böiger Föhn bemerkbar, auch das Wolkenbild weist darauf hin:

Blick von der Rigi Richtung nach Südosten zu den Urner und Glarner Alpen. Eine schwach ausgeprägte
Föhnmauer und die leicht angeschliffene Bewölkung zeigen den seichten Föhn an.
Auf dem Gütsch ob Andermatt wurden tagsüber immerhin Böenspitzen von 60 km/h gemessen. Oberhalb von 3000-3500 Metern ist von diesem Phänomen praktisch nichts zu spüren, auf dem Jungfraujoch erreichten die Windböen heute beispielsweise kaum 20 km/h:
Eine (bereits etwas ältere) detaillierte Beschreibung von diesem spannenden Föhnphänomen ist im Archiv der Zeitschrift vom Schweizer Hängegleiterverband zu finden.

Neben dem Nebel und Dunst in den unteren Schichten, gab es heute auch im mittleren Wolkenstockwerk Interessantes zu sehen: An einer dünnen Schicht mit Altocumulusbewölkung in einer Höhe von 4000 bis 5000 Metern sind Fallstreifen („virga“) entstanden. Dabei handelt es sich um Eiskristalle, welche aus dem Flüssigwasser in der Wolke entstehen. Sie sinken langsam ab und verdunsten weiter unten in der trockenen Luft wieder. Im Normalfall gelangen die absinkenden Eispartikel in eine Zone mit tieferen Windgeschwindigkeiten und werden als Schweif der Wolke „nachgezogen“.

Heute waren die Verhältnisse aber genau umgekehrt: Die Hauptwolkenschicht war wegen dem fehlenden Höhenwind praktisch ortsfest, während die Eiskristalle unterhalb von etwa 3500 Metern vom oben beschriebenen Südwind erfasst wurden. So konnten sie sich schneller verlagern als die Hauptwolke. In der trockenen Föhnluft sind die Eiskristalle dann aber recht schnell verdunstet und wieder von der Bildfläche verschwunden: 
Blick von der Rigi nach Südwesten. Aus der mittelhohen Bewölkung fallen Eiskristalle aus:
"Altocumulus virga"

Sonntag, 16. Januar 2011

Nochmals (und letzmals) zu den hohen Januartemperaturen...

Hoch "Agnes" lag heute direkt
über den Alpen. http://www.wetterpate.de/
In den mittleren und höheren Lagen hat die Januarwärme heute ihren Höhepunkt erreicht. Im Unterschied zur Föhn- und Südwestlage vom 5. bis am 9. Januar hatte der Wind heute seine Finger nicht im Spiel (zumindest hatte er keinen direkten Einfluss auf die Temperaturverteilung). Deshalb waren auch andere Regionen betroffen (mehr dazu am Schluss).

„Schuld“ an der Wärme war die in den vergangenen Tagen herangeführte subtropische Atlantikluft sowie die langsame Absinkbewegung (Subsidenz) im Hoch „Agnes“, welche heute ihren Höhepunkt erreichte. Die Nullgradgrenze stieg auf etwa 3500 Meter, auf dem Jungfraujoch wurden heute erstmals seit dem 5. November 2010 wieder knapp positive Temperaturen gemessen (+0.7°C). Der Januar-Rekord liegt übrigens bei +3.3°C (6. Januar 1999).

Radiosonde Payerne, 16. Januar 2011, mittags. Linke rote Kurve: Tau-
punkt; rechte Kurve: Temperatur. Je grösser der Abstand zwischen
den zwei Kurven, umso trockener ist die Luft. Blau eingezeichnet (x)
sind die Höchstwerte an einigen Bodenstationen. Weitere Erklärungen
im Text. Datenquelle: MeteoSchweiz
Interessant war vor allem die vertikale Schichtung der Atmosphäre (s. Grafik): Die Bodeninversion ging nahtlos in die Absinkinversion über, sodass vom Boden bis in eine Höhe von etwa 1600 m eine Temperaturzunahme von 10°C erfolgte.

Der Temperaturverlauf in der freien Atmosphäre (rechte rote Kurve) wurde an den Bodenstationen aber durch die Besonnung modifiziert (Erwärmung der Umgebung; violette Pfeile). An den Gipfelstationen ist diese Erwärmung im Januar jedoch vernachlässigbar. Einerseits wegen des Schnees, vor allem aber weil sich die Umgebung grundsätzlich weniger aufwärmen kann (viel „Luft“ [kann nicht direkt erwärmt werden] und wenig Fels- oder Grasfläche).

Somit ist es nicht verwunderlich, dass es heute zwischen 800 und 1400 m am wärmsten war. Spitzenreiter war heute wieder einmal Disentis (1197 m) mit 14.2°C. Dies könnte ein neuer Januarrekord sein, im Moment habe ich aber keinen Zugriff auf die homogenisierten Rekordwerte. In den tiefen Lagen gab es heute recht grosse Temperaturunterschiede. In einigen wenigen Regionen (z.B. Zürich-Kloten) war es mehr oder weniger ganztags neblig. Hier wurden nur gerade +4°C gemessen, im sonnigen Bern waren es fast +10°C.

Noch ein Wort zum Zusammenhang von Wetterlagen und extremen winterlichen Höchsttemperaturen. Generell bringen West- und Südwestlagen die höchsten Temperaturen (logisch - der Ursprung der Luftmasse macht’s aus…). Mein Kollege Ludwig Z’graggen von MeteoSchweiz hat in einer Untersuchung zusätzlich folgendes nachgewiesen:
  • im Flachland bringen eher tiefdruckbestimmte West- und Südwestlagen hohe Werte (falls der Wind bis zum Boden durchgreift…)
  • in den mittleren und hohen Lagen bringen die hochdruckbestimmten West- und Südwestlagen hohe Werte (Erwärmung durch absinken und Sonneneinstrahlung - so wie heute)
  • in den nördlichen Alpentälern sorgt schliesslich noch der Föhn für die ganz hohen Temperaturen im Winter

Freitag, 14. Januar 2011

Milde Januarnacht

Passend zum milden Januarbeginn 2011:

In der Nacht auf heute war es auf der Alpennordseite vielerorts ausgesprochen mild. Dies hatte drei Gründe: Die herangeführte Luftmasse stammt ursprünglich vom subtropischen Atlantik, die Nacht war meist stark bewölkt und gebietsweise wehte noch schwacher bis mässiger Südwestwind. Die letzteren zwei Punkte verhinderten im Flachland die Bildung eines Kaltluftsees. Somit ist die Temperatur in Basel-Binningen nicht unter +10.2 Grad, und im thurgauischen Tänikon nicht unter +9.6 Grad gesunken.

Sonst war es im Mittelland am Morgen zwischen +6.5 und +8 Grad mild. Zweistellige positive Tiefstwerte sind in Basel im Januar recht selten. In den vergangenen 52 Jahren ist dies nur 6x vorgekommen, davon allein gleich 3x in Serie im extrem milden Januar 2007. Am 19. Januar 2007 wurde der Rekordwert von +10.9 Grad registriert. Die kälteste Flachlandstation war heute mit einer Minimumtemperatur von -2.2 Grad Stabio Südtessin - auch nicht gerade alltäglich für Januar, jedoch nicht untypisch für eine Westlage.

Einen kleinen, aber entscheidenden Haken hat die Sache jedoch: Im Moment ist der Himmel klar und die Temperaturen sind ziemlich schnell gesunken (s. Grafik). Somit zählen die erwähnten Temperaturen in der Tagesstatistik nicht, da das Minimum der Temperatur für den Kalendertag 14.1 heute irgendwann vor Mitternacht erreicht werden wird…

Sonntag, 9. Januar 2011

Ballonfahren ist schön!

Die "VorarlBerge" mit Föhnhimmel: Ganz links der Walserkamm, halblinks im Hintergrund die Silvretta,
von der Bildmitte nach rechts ist der Rätikon zu sehen. Typisch für Föhn, dass das Gebiet
um die Schesaplana in Wolken ist. Hier handelt es sich um eine sekundäre Föhnmauer
am nördlichen Alpenkamm.
Eigentlich hätte heute die Ballonfiesta im Skigebiet Sattel-Hochstuckli stattfinden sollen. Aufgrund der Föhnlage wurde die Veranstaltung aber frühzeitig abgesagt bzw. um zwei Wochen verschoben.

Ausserhalb der Föhnregionen gab es in der Ostschweiz heute jedoch gutes Ballonwetter, zumindest am Vormittag. Einmal mehr hatte ich die Gelegenheit, mit Kurt und Pascal in der Luft zu sein. Einfach wunderschön, vor allem weil heute fast das gesamte Siegerteam vom Gordon Bennett Gasballonrennen 2010 zusammen unterwegs war.

Und: es gibt keine bessere Möglichkeit, um die eigene Wind- und Wetterprognose zu verifizieren, da man einen umfassenden Überblick über Strömungsverhältnisse in den verschiedenen Höhen in einem grösseren Gebiet bekommt. Natürlich hat man auch einen viel besseren Blick auf die Wolken in den verschiedenen Stockwerken der Atmosphäre und erlebt das Wetter ganz einfach hautnah. Ballonfahren sollte eigentlich als regelmässige Weiterbildung für die Meteorologen Pflicht werden ;-)
Föhnstimmung über dem Säntis. Auf Gipfelhöhe ist
links vom Säntisturm andeutungsweise eine
"Kelvin-Helmholtz-Welle" erkennbar.

Das Becken des Untersees und der Überlinger See
waren heute lange Zeit mit Nebel gefüllt. Aus
den mittelhohen Schichtwolken im Hintergrund
fällt wenig Niederschlag, welcher tiefer unten
wieder verdunstet (Fallstreifen oder "virga").

Föhnstimmung über dem Bodensee und dem
unteren Rheintal. Dank der Inversion ist es
am Boden (noch) windstill.

Interessante Schneeverteilung im Schussental südlich
von Mochenwangen (Kreis Ravensburg). In der flachen
Senke konnte sich der Schnee dank der bodennahen
Kaltluft halten, in der etwas höher gelegenen Umgebung
ist er geschmolzen.

Von Menschenhand geschaffenes Schneemuster...

Track der Fahrt: Start um 8.40h in Ebnat Kappel/SG,
Landung um 12.20h in Berkheim bei Memmingen.
Fahrzeit 3h 40min, Strecke 120 km, max. Höhe: 2780 m
Die Prognose war insgesamt nicht schlecht, bis auf einen Punkt: Der Wind am Boden war bei der Landung etwas stärker und vor allem böiger als gedacht. Allerdings war das noch im grünen Bereich, und die Landung verlief problemlos.

Wenige hundert Meter über Grund waren wir mit 40-50 km/h unterwegs. Eigentlich nicht verwunderlich, dass der Wind in abgeschwächter Form auch am Boden spürbar wird, wenn die (dünne) Bodeninversion allmählich abgebaut wird. Sämtliche Prognosemodelle haben das etwas anders gezeigt. Somit habe ich meine Weiterbildung für heute mit grosser Befriedigung erledigt...

Vielen Dank für den wunderschönen Tag an Kurt, Pascal, Jris und Tanja!

Freitag, 7. Januar 2011

Mit Föhn und Südwestwind hohe Temperaturen, aber nicht überall…

Bin mal gespannt, wo der Schreiber einer meiner Lieblingsblogs heute seinen „temperamentvollen Freund“ getroffen hat.

Warm war’s auf jeden Fall, windig auch - insgesamt sicher sehr fein wenn man den Föhn mag. Die Temperaturprognose für Chur in seinem Blog hat jedenfalls nicht schlecht gestimmt (es hatte 14°C). Allerdings gab es auch noch wärmere Orte, leider sind diese in der Prognosekarte nicht aufgeführt. Bei einer „durchschnittlichen Föhnlage“ sind die Verhältnisse jedoch relativ einfach: In Altdorf/UR ist es normalerweise etwa 2°C und in Vaduz 3 bis 4°C wärmer als in Chur, so auch heute:

Tageshöchsttemperaturen vom 7. Januar 2011 im Messnetz von MeteoSchweiz.
Rheintalabwärts nimmt die Temperatur dann ausgehend von Vaduz bis zum Bodensee noch einmal 1 bis maximal 2°C zu. Heute machte der Föhn jedoch irgendwo auf Höhe Feldkirch schlapp, sodass in Vaduz mit 17.9°C das Maximum gemessen wurde. Für den Januar ist dies in der 40-jährigen Stationsreihe der zweithöchste je registrierte Wert. Noch wärmer war es mit 19°C am 22. Januar 1997, selbstverständlich auch mit Föhn.


Heute gab es aber auch noch andere, ausgesprochen milde Orte: Auch hier war Wind im Spiel, anders sind so hohe Werte um diese Jahreszeit praktisch unmöglich. Allerdings hat die Strömung - im Gegensatz zum Föhn - nicht die Alpen überquert. Es war vielmehr der Südwestwind, welcher vom Jura in das Becken von Delémont und ins Laufental hinuntergegriffen hat - also schlussendlich auch ein Föhneffekt und zwar ein sehr temperamentvoller: Die Böenspitzen lagen bei 90 km/h, der Föhn in den Alpentälern war heute mit 50 bis 80 km/h nicht ganz so stark (Ausnahme Erstfeld, dort gab es an der Station der meteocentrale ebenfalls 90 km/h). An der Klimastion in Delémont wurden dabei genau 18°C gemessen. Auch hier war es im Januar bisher nur einmal wärmer, und zwar im Jahr 1991.


Wie im Titel angedeutet, gab es heute auch kältere Orte. Auf der Alpennordseite waren es nicht viele, am auffälligsten war sicher der Militärflugplatz Meiringen. Der Föhn hat’s nicht auf den Platz geschafft, auch gestern wurde die Kaltluft nicht richtig ausgeräumt. So blieb das Thermometer bei +3°C stehen. Und das ist noch nicht alles: Nach schwachem Regen am Morgen hat es im Laufe des Vormittags aufgerissen. Da der Flugplatz zu dieser Jahreszeit im Schatten liegt und schmelzender Schnee die bodennahe Luft gekühlt hat, konnte sich um die Mittagszeit in der feuchten Sauce sogar Nebel bilden… In der Semantik der Fliegerei schaut dann die Wettermeldungen so aus:

(variabler Wind, 1kt, 250m Sicht, Sicht am Pistenanfang und -ende, FG=Nebel, Vertikalsicht 100 ft, Temperatur, Taupunkt, Luftdruck,... ausführliche Erklärung des Codes)
Noch „grausliger“ war es heute in der Tessiner Sonnenstube: Die Temperaturen waren nur knapp über dem Gefrierpunkt, bei Nieselregen und sehr tiefer Wolkenbasis.