Kommentare, Analysen und kurze Beschreibungen zu interessanten Wetterlagen oder Wetterphänomenen in der Schweiz

Donnerstag, 26. Januar 2012

Schnee, viel Schnee

Grimselpass, 2164m am 26. Januar 2012. Links Sidelhorn, rechts der Bildmitte im Hintergrund Lauteraarhorn, 4042m
und Schreckhorn 4078m. Am Vortag war der Nordwestwind ziemlich stark, der Wind wehte im Bild von rechts
nach links.
Schon unglaublich, wieviel Schnee im Dezember und Januar gefallen ist. Gestern und heute war ich mit den Tourenski in der Region Obergoms bis Grimselpass unterwegs. Mehrmals ist mir durch den Kopf gegangen, dass ich im Januar noch nie so viel Schnee gesehen habe. Da das menschliche Erinnerungsvermögen bekanntlich ja nicht so wahnsinnig gut ist, habe ich mir ein paar Datenreihen angeschaut. Als Vergleich dient die Station Andermatt, 1442m, wo seit 1966 Schnee gemessen wird. Hier bin ich gestern (25.1.) mit dem Zug durchgefahren und es hat so ausgeschaut:

Bahnhof Andermatt, 25. Januar 2012. Nicht nur die Weichen müssen
freigeschaufelt werden, auch auf den Dächern wird am Rand der
Schnee weggeschaufelt.
Andermatt ist bekanntlich ja eine der schneereichsten Ecke der Schweiz. Sowohl bei West-, Nord- und auch bei Südlagen kann es hier ergiebig schneien. Bisher ist der Schnee praktisch ausschlieslich aus Norden und (zu einem geringeren Teil) aus Westen gefallen.

Am 25. Januar 2012 hat der Beobachter eine Schneehöhe von 206cm abgelesen. Schaut man sich den langjährigen Schneehöhenverlauf an, so sind wir am obersten Rand der bisherigen Beobachtungen. An einem 25. Januar lag hier letztmals im Jahre 1968 ähnlich viel Schnee (205cm). Zum Monatsende lag hier aber auch schon mehr Schnee, der Januarrekord stammt mit 250cm auch von 1968. Im 1982 lagen Ende Januar 225cm.
Statistische Auswertung des Schneehöhenverlaufs in Andermatt.
Die dicke graue Linie zeigt den Median, die strichlierte Linie das
absolute Maximum für jeden Tag seit 1966. Typischerweise werden
die absoluten Maxima erst gegen Ende des Winters erreicht.
Ein flächige Auswertung zum Thema Schneehöhenrekorde vom 25. Januar gibt's im Wochenbericht vom SLF.
Für mich persönlich bestätigt sich somit der eingangs erwähnte Gedanke (1968 war ich noch nicht auf der Welt, 1982 noch zu jung...).

Allerdings gilt er wirklich nur für den Januar. Mein persönlicher Schneehöhenrekord stammt vom Mai 1999. Damals haben wir in bei schneehydrologischen Untersuchungen auf dem Ochsentaler Gletscher in der Silvretta einen Schneeschacht mit einer Tiefe von etwas mehr als 5 Meter gegraben (kompakte Schneedecke des Lawinenwinters 1998/99; Arbeitszeit zu zweit: 1 Tag...).

Zurück zum aktuellen Winter. Heute Mittag (26.1.) habe ich noch kurz bei der automatischen Wetterstation in Ulrichen,1346m im Obergoms vorbeigeschaut. Hier liegen knapp zwei Meter Schnee - somit ist nicht verwunderlich, dass nicht mehr alle Sensoren einwandfrei arbeiten:

Messbrücke mit Temperatur-, Feuchte-, Niederschlags- und
Strahlungssensoren. Die Messung der Lufttemperatur er-
folgt momentan etwa 10cm über der Schneedecke
(üblicherweise 2m über Grund, allfällige tiefe Minimum-
temperaturen sollten also vorsichtig interpretiert werden).
Der Niederschlagstopf musste ausgegraben werden und
befindet sich zur Zeit ca. 20cm unter der Schneeober-
fläche. Sobald hier Wind weht, fällt Schnee in den Topf.
So schaut die Station im Sommer aus (19. Juli 2009),
im Hintergrund der Bahnhof Ulrichen.
 Hier noch ein paar weitere Schneebilder von gestern und heute, sortiert nach Meereshöhe:

Oberwald, 1370m. Hier liegen nach der offiziellen Messung
210cm Schnee.
Ortseingang Oberwald.

Ortsausgang Oberwald, hier beginnt im Sommer die Strasse
nach Gletsch und weiter zum Furka- oder Grimselpass.
1470m. Hier überquert im Sommer die Furka-Oberalp
Dampfbahn die Passstrasse.
Restaurant Rhonequelle, 1569m. Hier liegen wohl etwa
3m Schnee.
Hotel Grimselblick, 2161m auf der Grimselpasshöhe. Im
Sommer ein Rummelplatz, im Winter einsam, zumindest
während der Woche. Hinter dem Fenster links oben habe
ich übernachtet. Ein klein wenig konnte man sogar raussehen...
Der Grimselpass, 2164m ist tief verschneit mit grossen Schneeverwehungen. Am Grimselhospiz, knapp 200 Höhenmeter
weiter unten (Richtung Haslital) hat der Beobachter eine Schneehöhe von 310cm gemeldet.

Samstag, 7. Januar 2012

4m Schnee in Arosa?

Snapshot Tagesanzeiger-online, 7. Januar 2012
Was für eine Schlagzeile: vier Meter Schnee soll es am Montag in Arosa haben. Da muss man nicht lange nachdenken um draufzukommen, dass diese Aussage falsch ist.

Aber sie ist ein typisches Beispiel dafür, dass es nicht immer einfach ist einem "Laien" (in diesem Fall dem Journalisten) einen meteorologischen Sachverhalt so zu erklären, dass die Schlagzeile am Ende auch richtig ist.

Der Auskunftgebende Meteorologe hat das  höchstwahrscheinlich schon richtig erklärt, nur war die Interpretiation des Journalisten falsch. Mit den 4 Metern ist die Neuschneesumme gemeint, der Journalist hat diese Zahl einfach als Gesamtschneehöhe interpretiert.

Hier zur Klärung die verschiedenen Begriffe:
  • Neuschneehöhe: wird alle 24h jeweils am Morgen auf einem am Boden liegenden Neuschneebrett gemessen. Nach der Messung wird der Schnee vom Brett gewischt. 
  • (Gesamt)schneehöhe: wird alle 24h jeweils am Morgen vom Schneepegel abgelesen oder mit dem Metermass gemessen. Die Gesamtschneehöhe kann sich beispielsweise durch Setzung, abschmelzen oder Neuschnee ändern.
  • Neuschneesumme: ist die Summe der täglich gemessenen Neuschneehöhe, also ein theoretischer Wert der nicht gemessen werden kann. Trotzdem ist er für klimatologische Untersuchungen (z.B. ob ein Winter schneereich war oder nicht) eine wichtige Grösse.
Am besten lässt sich das Ganze grafisch veranschaulichen. Dazu habe ich die 3 erwähnten Parameter für die Stationen Arosa, Andermatt und Oberwald in ein Diagramm gezeichnet. Hier sieht man auch sofort, was der Meteorologe dem Journalisten erklären wollte: In Arosa (Daten in blau) beträgt die Neuschneesumme zur Zeit etwa 350cm - wenn es optimal läuft, könnte die Neuschneesumme bis am Montag also tatsächlich auf 4m steigen. Nur ist das wie gesagt lediglich ein theoretischer Wert. Die Schneehöhe liegt im Moment bei 154cm, was immer noch ein neuer Rekord für einen 7. Januar ist (s. dazu auch hier).

Verlauf der Parameter Neuschnee 24h (Balken, linke Skala), Schneehöhe (strichliert, rechte Skala) und Neuschneesumme (dicke Linien, rechte Skala) vom 1. Dezember 2011 bis am 7. Januar 2012 für die Stationen Arosa, Andermatt und Oberwald

Dienstag, 3. Januar 2012

"Altocumulus lenticularis duplicatus"...

...oder umgangssprachlich ganz einfach "Föhnwolke in mehreren Schichten" soll heute das Thema sein. So sah es heute zwischen 15 und 17h am Nachmittag am Grimselpass aus (Bilder im 30min Rhytmus):




Bilder von der Kamerastation Grimsel von MeteoSchweiz, 3. Januar 2011,
nachmittags
Der Begriff "Föhnwolken" mag noch richtig sein. Aber es war nicht der Föhn aus Süden, auch wenn am Grimsel-Hospiz heute Nachmittag recht zügiger Süd- bis Südostwind herrschte:
Windverlauf (Böenspitzen rot, Mittelwind schwarz, Richtung als Buch-
staben) an der Station Grimsel-Hospiz, 1980m, Quelle: MeteoSchweiz
Weiter oben (die Wolken waren wohl irgendwo im Bereich um 4000 Meter) hatte es eindeutig West- oder Norwestwind. Die höher gelegenen Stationen Titlis und Jungfraujoch (und die Radiosondierung) beweisen es:

Dasselbe für die Stationen Titlis, 3040m (oben) und
Jungfraujoch, 3580m (unten)
Damit sich solch schöne Linsenwolken bilden können, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
  • Anströmung quer zu einem Gebirgszug
  • stabile Schichtung in der Höhe (damit die entsprechende Schicht schwingen kann)
  • hohe Luftfeuchte, damit die Hebung beim Schwingen zur Kondensation und schliesslich zur Wolkenbildung führt.
Somit ist klar, Wellenwolken können bei jeder x-beliebigen Windrichtung entstehen. Es muss nicht immer der klassische Föhn sein. Hier noch ein paar Leewellenbilder aus der Zentralschweiz, ebenfalls bei Nordwestströmung.